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Leuchtende Augen zeugen von Technikbegeisterung


Technikführung im Neubau der Alb-Fils-Klinik Göppingen

In Kooperation mit der Alb-Fils-Klinik Göppingen wurde eine spezielle Technikführung für das Göppinger Technikforum organisiert. Die angebotenen 20 Teilnehmerplätze waren recht schnell vergriffen. Kurzfristige 

Absagen konnten über die Warteliste nachbesetzt werden. Schwerpunktthemen waren Lüftungstechnik, Dampferzeugung, Fernwärme und Stromversorgung.

Der Neubau der Klinik am Eichert in Göppingen ist eines der größten Bauprojekte in Baden-Württemberg. Neben dem Klinikneubau selbst zählen auch die Teilprojekte Parkhaus, Personalwohnungen, Ärztehaus, Betriebskita und Bildungszentrum sowie die Abbruchmaßnahmen und ein Patientenpark zum Neubauprojekt am Eichert. Die Einweihung des Klinikneubaus soll in 2024 stattfinden.

Auf 7 Geschossen und 2 Untergeschossen mit einer Bruttogeschossfläche von 94.000 m² werden rund 43.000 m2 Nutzfläche für 16 Pflege- und 3 Intensivstationen mit 645 Stations- und 43 Intensivbetten sowie 12 Operationssäle (incl. 1 Hybrid-OP) realisiert. 

Herr Reutter, Teilprojektleiter Technik, erklärt die Dimensionen des Neubaus

Das Verhältnis zwischen Bruttogeschoss- und Nutzfläche zeigt, dass mehr als die Hälfte der Gesamtfläche für die notwendige Infrastruktur der Klinik (Lüftungstechnik, Dampferzeugung, Fernwärme, Energieversorgung, Rohrpostanlage, Aufzüge, Treppen und Verkehrswege usw.) benötigt wird.

Als erstes „Green Hospital“ im Land ist der Klinikneubau beispielhaft im Sinne der Nachhaltigkeit. Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) hat ihn im Rahmen der Vorzertifizierung mit dem DGNB-Zertifikat in Gold ausgezeichnet. Beispielsweise wird die Klinik wärmetechnisch per Fernwärme vom Müllheizkraftwerk mit 2 Versorgungssträngen versorgt. 

Die ankommende 1850C-Hochdruck-Fernwärme (46 bar, 2,75 MW) des ersten Stranges wird zur Dampferzeugung für die zentrale Sterilgutversorgung und die Küche genutzt.  Die im zweiten Strang ankommende 1450C-Niederdruck-Fernwärme (16 bar, 5,5 MW) dient u.a. für Heizung, Warmwasserversorgung und Zulufterwärmung.

Ein neuartiges und in dieser Ausführung in Europa einzigartiges Führerloses Transportsystem (FTS) orientiert sich per WLAN und Radar selbstständig und selbstlernend in der Klinik. Über eigene Aufzüge und mit 700 speziellen Transportcontainern aus Edelstahl werden Wäsche, Müll, Sterilgut,Verbandsmaterial, Medikamente und auch das Essen im Haus verteilt und entsorgt. Entsprechende Waschanlagen und Sterilstreifen sorgen dabei für die notwendige Hygiene des Systems.

Führerloses Transportsystem (FTS)

Über eine neue Rohrpostanlage werden zukünftig u.a. Gewebeproben aus dem OP, Laborproben und Nachlieferungen von Arznei oder Ersatzteile für die Medizintechnik  verschickt. Über 16 Linien und 2 zusätzliche Schnelllinien 

Rohrpostzentrale im Untergeschoss

direkt von den OP’s in die Pathologie werden 46 „Bahnhöfe“ angesteuert. In jeder Rohrpostbüchse ist ein RFID-Chip verbaut, der die Büchse eindeutig identifiziert. So können jetzt im Vergleich zu früher auch Büchsen mit Blutkonserven erkannt und mit verminderter Geschwindigkeit transportiert werden, was das Ausfallen des Eiweißes in der Blutkonserve verhindert.

Im Normalfall wird die Klinik mit 10 KV Mittelspannung versorgt, die über 10 Trafos mit jeweils 630 kVA-Leistung auf 400V und 230 V Niederspannung heruntergeregelt wird. Je 5 Trafos bilden einen Verbund, die zwei Niederspannungshauptverteilungen bedienen. In den Netzersatzzentralen sind insgesamt 

drei Notstromaggregate mit je 1.250 kVA Leistung aufgebaut. Hierdurch bleibt auch bei Revisionsarbeiten die notwendige Redundanz gesichert. Im Gebäude sind zwei Brennstofflager mit einem Fassungsvermögen von jeweils 20.000 Liter verbaut, so dass ein Stromausfall drei Tage überbrückt werden kann.

Die Baulogistik und die Lieferzeiten des benötigten Materials sind aufgrund der Pandemie und des Ukraine-Krieges eine besondere Herausforderung. Über frühzeitige Bestellungen und einem speziellen Zwischenlagerungskonzept statt einer Just-in-Time-Logistik konnte ein Baustopp bisher weitestgehend vermieden werden. Natürlich sind zwangsläufig durch diese Ein- und Umlagerungen zusätzliche Rapportstunden und somit höhere Kosten entstanden.

Die o.g. Notstromaggregate wurden rechtzeitig  bei Beginn der Pandemie bestellt und schon vor einem Jahr geliefert. Mittlerweile liegen die Lieferzeiten hierfür aufgrund der hohen Nachfrage aus der Ukraine bei mehr als einem Jahr.

Insgesamt sind im Gebäude rund 2.600 km Kabel verlegt worden. Auch hier gab es Lieferschwierigkeiten bei bestimmten Kabellängen. So musste die örtliche Platzierung von Schaltschränken z.T. umgeplant und den gerade lieferbaren kürzeren Kabellängen angepasst werden.

Sensationeller Ausblick auf Göppingen und das Filstal
Gruppenfoto der Teilnehmer in 34 Meter Höhe

Ein weiteres Highlight der Führung war die grandiose Aussicht von der neuen Hubschrauberplattform in 34 Metern Höhe. Zum Glück spielte das Wetter mit. Durch die Lage des Aufzuges, der die Plattform direkt mit den OP’s verbindet, und die vorgeschriebene Einflugschneise für den Hubschrauber liegt sie nicht mittig über dem Gebäude, sondern ragt nördlich über den Haupteingangsbereich hinaus. Dies sieht natürlich auch viel spektakulärer aus.

Interessant ist auch die Organisation der Essensversorgung. Das Konzept nennt sich „Cook and Chill“. Das Essen wird in der eigenen Küche für 3 Tage im Voraus gekocht. Dabei wird es zu ca. 90% fertiggegart und danach ganz normal auf die Tabletts und Wagen verteilt. Anschließend wird es bei -400C schockgefrostet und in Kühlräumen

 zwischengelagert. Durch das FTS wird das Essen unabhängig von der tatsächlichen Essenszeit täglich beginnend von 5 Uhr morgens auf die Stationen verteilt. Dort muss die jeweilige Stationsschwester diesen Wagen dann nur wieder an die elektrische Versorgung anschließen, damit das Essen weiter gekühlt bleibt. Ca. 30 Minuten vor der Essensverteilung wird dann die Heißluft eingeschaltet und das Essen auf exakt die richtige Temperatur erwärmt. So hat man die Vorteile des frischen Kochens mit regionalen Zutaten und gleichzeitig das Ausliefern mit der perfekten Temperatur in Einklang gebracht und die gewünschte hohe Qualität des Essens garantiert. Dieses Vorauskochen erspart zusätzliche besondere Schichten (z.B. am Wochenende oder an Feiertagen) und entzerrt das Kochen und die Verteilung zu Stoßzeiten um die Mittagszeit.

Herr Foglia, ehemaliger Gesamtprojektleiter, erläutert weitere interessante Details zu den Aufzügen und die Essensversorgung

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Komplexität des Bauvorhabens und die Dimensionen der Technikeinrichtung des Neubaus begeistern und eine sehr große logistische Herausforderung sind. Im Vergleich zu anderen vergleichbaren Bauprojekten muss die viel gescholtene Termintreue und Kostensteigerung beim Neubau der Alb-Fils-Klink in Göppingen relativiert werden. Unter den Rahmenbedingungen einer Pandemie und des Krieges in der Ukraine und den dadurch entstandenen Unwägbarkeiten ist die Eröffnung in 2024 als große Leistung und Erfolg aller Beteiligten einzustufen.

Resümee zur Exkursion: Technikverliebte sind voll ihre Kosten gekommen!!!

Ein großer Dank geht im Namen aller Teilnehmer an Herrn Reutter und Herrn Foglia!!

Fotos:  Alb-Fils-Kliniken und Göppinger Technikforum e.V.

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