Nachdem der nötige Platz in unserer Waschhalle geschaffen wurde, stand dem Transport der Revolverdrehbank von Backnang nach Göppingen am 30. März 2021 nichts mehr im Wege.
Am Vortag wurden noch Hinweisschilder an den Parkplätzen vor und neben unserer Waschhalle angebracht, um dort den notwendigen Arbeitsraum freizuhalten. Zusätzliche Paletten auf den Parkplätzen sollten dies nochmals verdeutlichen.
Schon drei Wochen vor dem Termin hatten wir bei Herrn Ulrich Weiss nachgefragt, ob uns die Fa. Leonhard Weiss bei einem neuen „Transportprojekt“ unterstützen könne. Die Fa. Weiss ist schon jahrelang Mitglied im Göppinger Technikforum und hat den Verein schon bei unterschiedlichsten Projekten tatkräftig geholfen. So sieht lokales Sponsoring aus!
Die Zusage kam sofort und alle Details wurden dann mit den verantwortlichen Mitarbeitern abgesprochen. So stellte uns die Fa. Weiss einen LKW mit Ladekran sowie einen Radlader mit Gabel zur Verfügung. Damit waren wir bestens ausgerüstet und sollten alle sich stellenden Herausforderungen meistern können.
Zur Vorgeschichte: Mitte Februar wurde dem Technikforum eine Drehbank angeboten, die bis Ende März aus einer kleinen Produktionshalle in Backnang entfernt werden musste. Es handelt sich hierbei um eine Revolverdrehbank
oder fachmännisch gesagt um einen Drehautomat INDEX25, der ursprünglich sogar 1952 bei der Fa. Boehringer in der Produktion eingesetzt wurde. Die Plakette mit Arbeitsplatz- und Inventarnummer befindet sich immer noch an der Maschine.
Auch wenn unser Schaudepot an der Hermannstraße schon recht gut mit Exponaten gefüllt ist, so hat doch diese kompakte Maschine einen sehr hohen didaktischen Wert für die Geschichte, die wir mit unserem zukünftigen Museum erzählen wollen.
Unser Ziel ist es, die Entwicklungen und Auswirkungen der industriellen Revolutionen für das Filstal am Beispiel funktionsfähiger Maschinen zu erzählen. So ist diese Revolverdrehbank aus dem Jahre 1952 als Übergangsstelle zwischen zweiter und dritter Industrieller Revolution einzuordnen, mit der es damals gelang, große Stückzahlen an Drehteilen automatisiert herzustellen. Nach der einmaligen Einstellung der Maschine durch einen Fachmann musste danach nur darauf geachtet werden, dass genügend Material nachgeschoben wurde. Dies konnte dann auch ein weniger qualifizierter Arbeiter erledigen. Hieran kann zugleich anschaulich dargestellt werden, wie auch schon damals technische Entwicklungen Anforderungsprofile von Mitarbeitern veränderten.
Sogar unser Ehrenvorsitzender, Herr Prof. Dr. Hans G. Rohs, hat 1945/46 als ungelernter Hilfsarbeiter (Stundenlohn 0,71 Reichsmark) sein erstes Geld an so einem Drehautomaten verdient und seine ersten Erfahrungen an Werkzeugmaschinen gemacht – er brauchte nur alle 5 Minuten eine neue Materialstange einzulegen, so dass viel Zeit blieb, die Funktion der Maschine zu studieren.
Somit wurde das Angebot angenommen, diese Maschine in die bestehende Sammlung aufzunehmen und sie zurück zu ihrer alten Wirkungsstätte auf das Boehringer-Areal zu holen. Thomas Stocker und Joachim-Walter Drews machten sich dann am Dienstag, den 30. März 2021 zusammen auf nach Backnang. Dort trafen sie sich mit Herrn Uwe Blessing von der Fa. Weiss, der schon mit „großem Gerät“ vor Ort war.
Da die Revolverdrehbank in Backnang in einer kleinen Produktionshalle stand, wurde sie mit einem Radlader aus der Halle geholt. Mit viel Feingefühl wurde als Erstes die Maschine angehoben, um zwei Holzbohlen darunter legen zu können. Danach konnte Herr Blessing mit der Gabel seines Radladers unter die Maschine fahren und sie vorsichtig anheben. Mit seiner großen Erfahrung beim Be- und Entladen schwerer Gegenstände – lt. Ulrich Weiss fängt es erst ab 20t an, wirklich schwer zu werden – gelang
das Aufladen der Maschine samt Zubehör innerhalb einer guten halben Stunde. Die Maschine wurde fachmännisch verzurrt und schon ging es auf den Weg nach Göppingen.
In Göppingen angekommen bot sich dann die Möglichkeit, die Revolverdrehbank mit dem Ladekran des LKW’s abzuladen. Dieser Kran hat bei seiner maximalen Ausladung von 12,5m noch eine Tragfähigkeit von 2,5 t. Vorab wurde erst geprüft, ob der Kranausleger weit genug
in die Waschhalle reicht und auch die benötigte Höhe gegeben war. Schließlich sollte das geöffnete Garagentor dabei nicht beschädigt werden. Mit großer Präzision rangierte Herr Blessing dann den Kranausleger mit der Revolverdrehbank am Haken auf den vorgesehenen Platz in unsere Waschhalle. Dort wurde sie wieder auf zwei Holzbohlen abgesetzt, damit ein späterer Transport an einen anderen Platz einfacher möglich ist (Videos und weitere Bilder zu dieser Aktion).
Jetzt wartet der Drehautomat auf seinen neuen Auftritt – doch vorher sind sicher noch kleinere Restaurierungsarbeiten zu erledigen. Auch hierfür suchen wir dringend neue interessierte Mitglieder, die Spaß an der Technik und an handwerklichen Tätigkeiten haben.
In Zusammenarbeit mit der Stadt Göppingen wird regelmäßig weiter an der Realisierung des geplanten Schaudepots in den ehemaligen Fuhrparkhallen der Fa. Boehringer an der Hermannstraße gearbeitet. Erste Kostenschätzungen laufen und die Didaktik der Ausstellung wird weiter präzisiert. Mit dieser Revolverdrehbank ist ein weiterer Schritt getan, die Industriekultur im Filstal zukünftig anschaulich und erlebbar zu machen.